Kunst: Der Mannheimer Skafte Kuhn und 30 befreundete Künstler machen aus einer Einzimmerwohnung ein Gemeinschaftswerk

Völlig freies Umgestalten

In der Bürgermeister-Fuchs-Straße in der Neckarstadt-West läuft man am Bunker vorbei und stutzt: Gegenüber ein erleuchtetes Fenster, aber kein Schild, man schaut hinein und sieht erstmal merkwürdige Dinge an der Wand und am Boden. Beim Eintreten überraschen große farbenfrohe Kreise, versprengte Erdmännchen und Grafisches in Schwarzweiß. "Was geht hier ab?", würde ein Jugendlicher sagen . . . Hier breitet sich gerade der Künstler Skafte Kuhn rein räumlich aus: Zunächst bewohnt er die Atelierwohnung im Hinterhaus, die ehemals Peter Schnatz nutzte, darunter liegt sein Atelier, dann betreibt er ein kleines Ausstellungsexperiment "die tuer" und jetzt noch eine weitere Einzimmerwohnung im Vorderhaus, die nun zum "Ausgang A" wird - einem weiteren Kunstprojekt

Der 1969 in Mannheim geborene Künstler wurde ursprünglich zum Bühnenbildner ausgebildet, bevor er aus der Enge des Vorgegebenen in die Freiheit der Bildenden Kunst, an die Akademie nach Karlsruhe wechselte und u.a. bei Stephan Balkenhol studierte. Kuhns künstlerische Arbeiten, die breitgefächert zwischen Zeichnung, auch mit Tusche und Aquarell, Plastik und Objektkunst hin- und herpendeln, sind häufig beeinflusst von Literatur und Musik, aber der seiner Zeit, also Pop. Nach zahlreichen Ausstellungen und Stipendien kehrte er zurück nach Mannheim.

Für sein derzeitiges künstlerisches Experiment lud er 30 Kolleginnen und Kollegen aus Mannheim ein, mit ihm die Wohnung im Vorderhaus zu gestalten. Keinerlei Vorgaben, alles offen, lebendig und frei. Den Anfang machte sein schon im Wilhelm-Hack-Museum für die Ausstellung "Deltabeben" erprobter Mitstreiter Konstantin Voit. Er ließ sich von der Zimmerlampe inspirieren und setzte so einen sehr starken Anfangspunkt. Dem fügte wiederum Ana Laibach Formen in Schwarzweiß hinzu, wohingegen Eva Wittig einen musikalischen Akzent setzt mit Gitarre und Verstärker.

Fast unmerklich fügen sich Alexander Horns kleine Zeichen ein, wohingegen Kathleen Knauer eine vehemente Spur setzt. In der Küche wiederum legte Margarete Lindau, Absolventin der HGB Leipzig, mit Latten und Zeichnungen ein sehr spannungsvolles Gerüst an, das auf den Außenraum anspricht und im Nebenraum wieder auftaucht. Darauf reagiert Susanne Neiß mit einer großartigen Fotografie, die das gegebene Formenrepertoire noch einmal erweitert. Zu einem ungewohnt neuen Bestandteil scheinen Reste unsichtbarer performativer Vorgänge zu werden: Jonas Schmitt (Absolvent der Akademie Karlsruhe, lebt in Berlin) übernachtete hier - und baute Erdmännchen . . . Die Ausstellung ist noch im Prozess, viele Künstler werden noch ihren Akzent setzen, was Skafte Kuhn nicht steuern kann und will. Gemeinschaftliches Arbeiten, auch unter dem Risiko des kollektiven Scheiterns.

Anders ist es bei seinem kleinen Ausstellungsprojekt "die tuer": Er lädt einen Künstler ein, den er schätzt, und der darf dann mit der Eingangstür zu seiner Wohnung machen, was er/sie will. Derzeit hat Jutta Steudle verschieden gefaltete Papiere in die Fensterscheiben gelegt, aber theoretisch könnte man die Tür auch anstreichen, ausbauen oder Ähnliches. So waren schon Heiko Sievers und Lisa Reitmeier zu Gast.

Zurück zu "Ausgang A": Der Blick aus dem Fenster auf den gegenüberliegenden, mit Graffiti übersäten Bunker zeigt, wie stark die Ausstellung ins Offene geht: Ihr Titel lehnt sich an die Beschriftung Eingang B an und auch das Hip-Hop-Ethos der Writer und Street-Art-Künstler wird übernommen: Nichts übermalen, was ein anderer gemacht hat, verschiedene Formen sampeln, das ist das Motto. Gleichzeitig allein und gemeinsam, wie im Innenraum, offen und frei.

© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, Montag, 02.11.2015



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