Atelierbesuch: Der Maler Alexander Horn arbeitet in einem Hinterhaus in Ludwigshafen an vielschichtigen Bildern

Gold, Beuys und die Schönheit

Ein Hinterhaus in Ludwigshafen, nicht alt, nicht neu, mit dem schlampigen Charme der 60/70er Jahre. Eine Treppe hoch befindet sich das atelier-17, in dem die drei Künstler Tanja Vetter, Martin Weyers und Alexander Horn arbeiten. Alle sind Maler, und deshalb ist es auch "alles so schön bunt hier", wie Nina Hagen einst einmal sang. Aber unser Besuch gilt Alexander Horn, auf den man schon länger aufmerksam werden konnte, denn der 1970 geborene Künstler war Mitbegründer von PENG!, der Produzentengalerie in der Mannheimer Neckarstadt.

Wie ein Schlag ins Gesicht

Im Raum steht eine Staffelei, dahinter hängen kleine Bildchen an der Wand, bei näherer Betrachtung auf Hartfaserplatten gemalt. Grob und roh ausgerissen, das kleine Gemälde in Öl von Boxkämpfen ganz zart aufgelegt, man sieht noch die weiße Grundierung, die Vorzeichnung, aber prägend ist die Heftigkeit, die Rohheit, die Brutalität, mit der das Stück herausgerissen wurde aus der Platte. Das richtige Material für das Motiv Boxen, die Identität von Sujet und Materialität. Wie viele Männer hat das Thema Alexander Horn angesprochen: "Die gesellschaftlich sanktionierte Gewalt", so der Künstler, habe er festhalten wollen, "wie einen Schlag ins Gesicht." Aber nicht nur die Kämpfenden, sondern auch die faszinierten Zuschauer fixierte er in dieser Serie "Teilnehmer I". Das ist fast symbolisch für alles, was ihn beschäftigt, scheint das Auge in dieser Reihe zu sein, im fahlen Gesicht einer Frau.

Apropos Frau: Lang hat sie ihn als Sujet beschäftigt, viele Werke sind so entstanden, häufig fragmentierte und dem Zusammenhang entrissene Gesichter von Pornodarstellerinnen oder auch der RAF-Frauen - extreme Gegensätze, die Horn in die Unkenntlichkeit transzendierte. Die neue Reihe "Teilnehmer II" wiederum besteht aus Szenen in Schwarzweiß, wieder in Öl auf Hartfaserfetzen gemalt, die sich dem Vampir-Film "The Addiction" von Abel Ferrara verdanken. Sehr schöne Momente scheinen so aus dem Dunkel auf, inklusive der Dramatik, die Vampire verbreiten.

Zu einer weiteren Serie wurden seine Collagen unter dem Titel "Hirnschwitzen", die aus Materialresten bestehen, die bei ihm herumlagen, aber mit Goldtinte nobilitiert wurden. Sie wirken leicht altertümlich durch den Einsatz anatomischer Zeichnungen, was ganz lose an Max Ernst erinnert. Kurios sind fast die Einsprengsel der RAF-Terroristen von Fahndungsplakaten, die genauso verwertet werden wie die Mona Lisa, die hinter einer transparenten Folie hervorscheint. Auffällig sind die Hasen in allen Variationen, die im Werk des Künstlers immer wieder erscheinen - "die haben sich früh eingeschlichen", schmunzelt er. Die Nager mit den langen Ohren sprechen aber nicht die gängigen Metaphern wie Gebärfreude oder Flüchtigkeit an, sondern beziehen sich eher auf die große Bedeutung des Hasen in Beuys' Werk. Bei der Beuys'schen Aktion "wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt", ein frühes Hauptwerk von 1965, in der Künstler mit einem toten Hasen im Arm und mit Blattgold und Honig im Gesicht drei Stunden durch die Galerie Schmela in Düsseldorf lief und sich so für seinen erweiterten Kunstbegriff einsetzte, "da krieg ich immer wieder eine Gänsehaut, wenn ich das sehe", sagt Horn.

In dieser Tradition sieht er sich, aber auch mit einer "distanzierten Haltung zur Kunst und immer kritisch". Immer mehr Betrachter schätzen diese künstlerische Position, die gepaart ist mit wilder Schönheit.

© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 18. November 2009



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