Bauhaus-Serie: Die Genossenschaftliche Burg, ein Bauhaus-Ensemble im Mannheimer Hafen
Monumental und doch funktional
Welcher Mannheimer kennt sie noch, die großen Backsteinbauten im Industriehafen, die bis 1996 das größte Produktions- und Lagerzentrum der Konsumgenossenschaften in Süddeutschland bildeten? Dem Projekt Rhein-Neckar-Industrie-kultur, einer noch jungen, auf bürgerschaftlichem Engagement basierenden Initiative, ist es zu verdanken, dass nun eine Ausstellung im Markthaus in Mannheim-Neckarau den Blick auf die Genossenschaftliche Burg lenkt.
Tatsächlich steht sie trutzig da wie eine Bastion und erinnert mit ihren Rundtürmen und halbkreisförmigen Vorbauten an alte Zeiten. Der Einfluss der Kirchenbauten der frühen Romanik lässt sich an vielen Bauteilen ablesen, so etwa an den Treppentürmen, aber auch an den Apsiden (halbkreisförmige, häufig als Altäre oder als Chor dienende Vorbauten). Aber weit gefehlt: Angelehnt an das "Neue Bauen", das wiederum inspiriert war von Bauhaus-Ideen, verzichtet der unbekannte Architekt auf jeden Schnörkel, jeden historistischen Schmuck, und setzt ganz auf Funktionalität.
1927 wird das Grundstück am Hafen erworben, 1929 die Malz- und Zichorienfabrik (das sogenannte Kaffeewerk) und 1931 die GEG-Mühle (später Park-Mühle) fertiggestellt. Das gesamte Gelände umfasst über 30 000 Quadratmeter und besteht aus den Produktionsstätten wie Mühle und Silos zum Lagern von Getreide, aber auch aus Verwaltungsgebäuden, Sozialräumen, einer Kantine, dem Kesselhaus zur Energiegewinnung, Werkstätten sowie Werkswohnungen.
Auch Ateliers gibt es hier
Sehr beeindruckend für den Laien sind die hydraulischen Leitungen, die das Getreide oder Mehl vom Silo zum Schiff oder umgekehrt flugs und sauber transportierten. Dieses für Mannheim beeindruckendste Beispiel moderner Industriearchitektur wird heute, nach der Aufgabe der genossenschaftlichen Produktion, von verschiedenen Speditionsfirmen als Lager benutzt und bietet erfreulicherweise auch den jungen Künstlern Myriam Holme und Philipp Morlock reizvolle Atelierräume.
Das Äußere der häufig siebengeschossigen Gebäude gliedert sich streng nach den geometrischen Grundformen, verbindet kubische Baumassen mit runden Türmen oder einem Schornstein. Typisch sind die Abtreppungen an der Giebelfront, etwa zu sehen an dem Haus mit den Direktionswohnungen. Generell werden die dunklen Klinkerfassaden belebt durch die klare vertikale und horizontale Gliederung mit weißen Sprossenfenstern, während das Mezzaningeschoss, das Halb- und Zwischengeschoss, den Bauten einen würdevollen Ausdruck verleiht.
Durch auffällige und dann doch ganz einfache Schmuckformen werden die dunklen Fassaden verziert: Unregelmäßig ragen immer wieder einzelne Backsteine aus der Flucht hervor, was eine reizvolle Irritation des Auges bietet. Ebenfalls sehr ansprechend und der Zeit durchaus entsprechend wirkt die Kantine, ein niedriges Gebäude mit halbkreisförmigem Abschluss, heute durch Blumenbeete und rankende Rosen geschmückt.
Gut erhaltenes Ensemble.
Die Verbindung von Funktionalität und Monumentalität lag im Trend dieser Jahre. "Dies entspricht dem in den Architekturdebatten des frühen 20. Jahrhunderts auftauchenden Gedanken, die technischen Errungenschaften des industriellen Zeitalters selbstbewusst zu präsentieren, um ihre Bedeutung als prägende Kräfte der Moderne anschaulich zu machen", so der Architekturhistoriker Andreas Schenk in seinem Standardwerk "Mannheim und seine Bauten." Heute steht das Ensemble unter Denkmalschutz; es ist recht gut erhalten, im Zweiten Weltkrieg brannte nur die Mühle innen aus. Am reizvollsten bleibt der Blick vom Wasser her, hier sieht man die ästhetische Kraft dieser monumentalen Architektur am besten.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 16. September 2009