Junge Talente: Porträt der Odenwälder Künstlerin Katja Schwinn, die uns mit konzeptueller Ironie zwischen Lachen und Ekel schwanken lässt
Asyl für Hunde und verkitschte Kunst
Auf den ersten Blick wirkt sie verblüffend unscheinbar und harmlos, die junge Künstlerin Katja Schwinn. Aber sie hat es faustdick hinter den Ohren, wie sich bald im Gespräch herausstellt: Denn die ehemalige Krankenschwester in der Psychiatrie (1995 bis 2002) mit daran anschließendem Studium der Kunsttherapie liest nicht nur mit Hingabe die Theoretiker Adorno und Foucault, sondern ist auch auf ironische Art ziemlich intellektuell. Aufmerksam wurden einzelne Mannheimer auf die Odenwälderin, als sie Teil ihres Projekts "Bilderasyl" wurden.
Bilderasyl bei "Herbergseltern".
Katja Schwinn malte letztes Jahr in einem Affenzahn etliche großformatige Bilder in Öl oder Acryl nach sehr heftigen Pressefotos aus Afghanistan, dem Irak oder Guantánamo. Das Motiv der Bilder war immer der Krieg und seine Auswirkungen, Tod und Folter. Aber Katja Schwinn hat die pixeligen Aufnahmen in Malerei transformiert, hat dabei zugesehen, wie manchmal der Prozess des Malens den Ausdruck des Fotos völlig umwerten konnte.
Diese teilweise rätselhaften, teils popartigen Bilder hat sie dann - der konzeptuelle Kern des ganzen Projekts - interessierten, ihr vorher unbekannten Mitmenschen mit nach Hause gegeben und sie gebeten, eine Woche in ihrer häuslichen Umgebung mit den Gemälden zu leben. Danach hat sie das "Asyl" ihrer Bilder fotografiert und ein Interview geführt mit den "Herbergseltern" über die Auswirkungen dieser Verschickung. Da einige der Bilder sehr brutal waren (Folterung in Guantánamo etwa), beeinflussten sie den Alltag der vorübergehenden Besitzer wesentlich und deren Überlegungen zu Bild, Medium oder Kontext gingen dann auch in ihre Abschlussarbeit des Kunsttherapiestudiums ein. Aber schon zuvor hatte die 31 Jahre alte Malerin konzeptuelle Projekte angeleiert: etwa 2005 die "Hundeheimat". Sie ersteigerte bei Ebay schauerlich-kitischige Landschaftsbilder, mal mit Bergen und Rehen, mal mit Wasserfällen.
Verkitschte Kunst
Das Billige, Klischeebehaftete daran bot den Reiz für Katja Schwinn. In diese Heimatbilder malte sie ganz verschiedene Sorten Hunde, aber auf jeden Fall überproportional groß. Sie nennt das "Emanzipationsversuch aus Heimatidylle, versklavter Natur und verkitschter Kunst".
Die Wirkung ist überwältigend: der Betrachter schwankt zwischen Lachen und Ekel, zwischen Abscheu und Heiterkeit. Für die Künstlerin wurde es zu "emotionaler Kunst, Gefühlsarbeit, aber auch zu einem Lausbubenstreich", ganz im Gegensatz zum todernsten "Bilderasyl" etwa.
Aus der Heimatbilder-Serie formte sie dann auch eine Installation: In einem alten Zimmer mit Holzdecke, plüschigem Teppichboden, Strukturtapete und passendem Mobiliar deckte sie den Tisch mit dem richtigen Kaffeeservice ein und hängte einen Kronleuchter auf. Aber der Gipfel wurde ihr "Hundekuchen": Sie backte tatsächlich mit dem Hundefutter Frolic, es stank schon beim Backen bestialisch, der Geruch hing in diesem Zimmer und machte auf unbewusster Ebene dem Besucher klar, was er sieht, bevor er wusste, was er sieht.
An den Wänden hingen dann ein paar der "Hundeheimat"-Bilder, alles völlig absurd und abstrus. Nun hat sie zu Recht die Aufnahmeprüfung für die Staatliche Kunstakademie in Karlsruhe bestanden und wir dürfen gespannt sein, was aus einer Künstlerin, die Hunde auch mal Häuserdächer umarmen lässt oder Hundekuchen backt, noch alles werden wird!
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 21. November 2007