>PERFORMANCE: Volker März und seine Gruppe Unos United sorgen mit einer Aktion in der Mannheimer Innenstadt für Furore

Fußball-Botschafter der etwas anderen Art

Männer und Frauen in schwarzen Lederröcken und karierten Jacketts halten, tragen, schieben, werfen, stehen hinter, liegen auf, schwimmen mit - Riesenradiergummis. Eine Wahnsinnsidee des in Mannheim gebürtigen Künstlers Volker März, mit einem durch Überdimensionierung aus dem Alltag gerissenen Gegenstand Situationen völlig zu verunklären. Denn diese vierstündige Performance der Unos United, die sich am Samstag in der Mannheimer Innenstadt abspielte, hatte es in sich: Sie ist die einzige kritische Kunstveranstaltung der Bundesregierung und der FIFA zur Fußballweltmeisterschaft, sie nimmt Themen wie Selektion, Nationalismus oder Rassismus aufs Korn, aber keineswegs humorlos oder mit erhobenem Zeigefinger. Die Unos können das, was schon Dada versucht hat: eindrucksvoll und folgenreich zu irritieren.

Der heute in Berlin lebende Sportliebhaber März leitet unauffällig seine achtköpfige Gruppe aus Tänzern, Choreografen und Musikern, die schon in ihren Biografien belegen, wie absurd das Prinzip des Nationalismus heute ist in einer globalisierten Welt. Die allmählich bekannter werdende Bernadette La Hengst singt dazu mit wunderbarer Stimme auf der Wandergitarre seltsam poetische und absurde Lieder (die Texte hat März verfasst).

Witzig zu sehen, dass zu Beginn am Hauptbahnhof niemand das Lied "Wir sind wie elf blaue Wolken, wir sind die Meister der Welt" mitsingen wollte, am Ende auf dem Paradeplatz sich zum Refrainsingen aber eine ansehnliche Gruppe formierte. Überhaupt, die Mannheimer: Kleine indische Kinder purzeln sofort mit am Bahnhof, interessierte junge Türken wollen alles wissen, klar hört man auch: "Und das soll Kunst sein?", aber die beste Reaktion liefert ein alter Mann, der auf den Planken den Unos beim völlig absurden Durchzählen zusieht und plötzlich ruft: "Liegestützen! 20 Stück!" Und kurz darauf anfängt zu singen: "Ich habe die Liebe gesehen", was die Truppe begeistert aufgreift und weiterführt.

Diese Performance lebt von ihrer Umgebung, verändert sich fortwährend, war in Hildesheim, Berlin, Nürnberg und Patras (Kulturhauptstadt Europas) eine ganz andere als hier in der Quadratestadt. Die Orte spielen immer eine große Rolle und die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, aber, wie gesagt, verwirrend und irritierend, nie belehrend. Oder wie eine Betrachterin zweifelnd fragte: keine Botschaft?

© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 03.07.2006



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