KUNST: Die Mannheimerin Ruth Hutter zeigt im Viernheimer Kunstverein ihre "Videogemälde"
Von klatschenden Barbiepuppen
Der Kontrast könnte größer kaum sein: Man steigt in den alten, stimmungsvoll beleuchteten Gewölbekeller des Viernheimer Kunstvereins hinab und ist konfrontiert mit absoluter Künstlichkeit, mit Fake pur in einem falschen Konzert. Auf die ehrwürdigen Steine hat die Mannheimer Videokünstlerin Ruth Hutter unter dem Titel "My Love, I'm Dreaming" eine mehrteilige Videoinstallation projiziert, die von Beifall klatschenden Barbiearmen über ein Karaoke singendes Paar und quietschende Babypuppen in Hellblau und Rosa alles enthält, was unser Dasein derzeit hinsichtlich des Themas Liebe pervertiert.
Aber die 1965 in Ludwigshafen geborene Künstlerin, die bei Marina Abramovic und Birgit Hein (unter anderem an der Hochschule für bildende Kunst in Braunschweig) studiert hat, ist perfekt im hintersinnigen Nicht-Authentischen: Wenn sie eine Puppe, die ein kleiner Junge ist, in amerikanischer Babystimme Sätze aus Songs dahersagen lässt, die von seiner rosafarbenen Gefährtin in noch höherer Tonlage beantwortet werden, dann prallen alle Plattitüden aufeinander, die das Thema hergibt.
Der meisterliche Einsatz verschiedener Ausschnitt-, Montage- und Bluescreentechniken - etwa bei den Karaokesängern - löst die Figuren fast vollständig auf und setzt sie neu zusammen, linkisch, an Kinder erinnernd, leicht karikierend, ein bewegter Cartoon. Vielleicht zurecht wurden ihre Arbeiten in der Vergangenheit als Videogemälde bezeichnet, denn Ruth Hutter macht mithilfe dieser Techniken, was sie will, sie hält sich nicht an die Vorgaben der angeblich Wirklichkeit abbildenden Medien (es sind hier auch Fotografien von ihr ausgestellt), sondern begibt sich respektlos auf die Suche nach Beziehungs- und Sprachlosigkeit im Allgemeinen und in der Popwelt im Besonderen.
Die Serie der Prints von 2005 mit dem Titel "Cutting Dolls" im Vorraum präsentiert eigentlich Schauerliches: Barbiepuppengesichter erhielten "reale" Augen und Münder, die beiden Ausdrucksträger par excellence in jedem Gesicht, und werden so vollständig verfremdet und unheimlich. Und sie machen den Kontext klar, in dem Hutter steht, denn Assoziationen werden wach an Annegret Soltau und ihre zerschnittenen und genähten Frauengesichter und Frauenkörper, aber auch an Cindy Shermans Werke mit Puppen, die häufig zusammengesetzt, geschändet oder zumindest schmutzig waren. Aber: Hutter geht ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Weg.
© Susanne Kaeppele - Bergsträßer Anzeiger, 26.06.2006