ATELIERBESUCH: Bei der Mannheimer Fotografin Susanne Neiß in der Neckarstadt
Lichtbildnerin farbiger Rätsel
Eigentlich braucht sie ja gar kein richtiges Atelier, wie man es sich vorstellt, die Mannheimer Fotografin Susanne Neiß, denn sie nimmt ihre Bilder am liebsten im Freien auf oder am Fenster. So ist ein Besuch in ihrer leuchtend-bunten Wohnung in der Neckarstadt eigentlich einer bei ihrem PC und den Küchenfenstern, aus denen sie manche ihrer rätselhaften Aufnahmen geschossen hat . . . Lebendig und still ist es gleichzeitig hier, und auch auf die 1971 in Worms geborene Künstlerin scheint das zuzutreffen.
Susanne Neiß studierte 1994 bis 1998 hier an der Fachhochschule für Gestaltung, gewann 1999 den Welde-Kunstpreis und hatte schon etliche Ausstellungen im In- und Ausland (Montpellier, Barcelona), in Mannheim zuletzt in Raum 2. Kürzlich ging eine Ausstellung in Trier zu Ende, die dem "Mentoring Programm für Bildende Künstlerinnen Rheinland-Pfalz" ent-sprang, worin erfahrene Künstlerinnen jüngeren Hilfestellungen geben, in diesem Fall war es Margret Eicher, die Susanne Neiß mit wertvollen Tipps versorgte.
Selten ist der Titel richtig, aber hier scheint er zuzutreffen: Die "Lichtbildnerin" macht eher stille Fotografien mit ihrer analogen Spiegelreflexkamera, der sie, wie sie sagt, "als Gewohnheitstier" treu bleibt. Durch teilweise extreme Gegenlichtaufnahmen, die den Hintergrund schwarz werden lassen, oder Verzerrungen entstehen ganz eigentümliche Bilder: Schmerzhaft schöne Landschaftsaufnahmen etwa, die nie einfach naturalistisch aufgenommen sind, oder sehr grafische, nüchterne Bilder von Innenräumen, die an Fotografien der 20er Jahre erinnern könnten, wenn sie nicht farbig wären.
Manche Aufnahmen sind elegisch, ja fast tragisch schön, etwa von einer vereisten roten Rose (1999) oder einem Nebel verschleierten Baum (2004). Aber ein Lieblingsgebiet der jungen Künstlerin sind sicherlich alle Arten von Reflexionen und Brechungen, erzielt durch das Fotografieren durch geriffelte Glastüren etwa oder durch farbige Regentropfen auf Scheiben. Häufig sind der Bildausschnitt und die Motivwahl so unklar, dass der Betrachter nur merkt, dass er Kunst sieht, nicht aber, was er sieht. So auch die neueste Werkgruppe, deren Ausgang noch ganz im Dunkeln liegt - grafische, aber nicht rein orthogonale, sondern auch farbige Kurven enthaltende Fotografien, auf denen alles offen ist: Worum es geht, was der Ausgangspunkt ist, was wir eigentlich sehen. Vielversprechend.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 27.12.2005