AUSSTELLUNG: Arbeiten der "Arte povera" bei Sebastian Fath Contemporary
Dem Kunstgedächtnis einverleibt
Davon, dass die "Arte Povera"-Bewegung in den 60er und 70er Jahren
über revolutionären Impetus verfügte, dass sie sich der tradierten
europäischen Kunstauffassung widersetzte, dass sie wie Joseph Beuys
hierzulande mit bislang kunstfernen Materialien das Publikum
schockierte, davon ist heute nicht mehr viel zu spüren. Längst sind die
Iglus mit und ohne Fibonacci-Zahlen von Mario Merz oder die
Kohlenbilder von Jannis Kounellis dem Kunstgedächtnis einverleibt, sie
sind schon lange museal geworden und besetzen auch, vom Publikum
geliebt, einen Platz in der Mannheimer Kunsthalle.
Sebastian Fath geht nun mit seiner Präsentation von Werken auf
Papier und Multiples vieler Künstler dieser losen Gruppe um den
Kunstkritiker Germano Celant einen eigentlich umgekehrten Weg: Quasi
kunsthistorisch macht uns die Ausstellung darauf aufmerksam, dass sich
jenseits der beiden genannten Hauptvertreter Merz und Kounellis unter
dem notdürftigen Begriffsdach der "Arte povera" viele aufregende
Ansätze versammelten. Aus ganz anderen Materialien bestanden etwa die
Werke von Michelangelo Pistoletto, hier vertreten mit einem seiner
Spiegelwerke, die zur Reflektion (im doppelten Wortsinne) anregen
sollten. Auch die Collagen mit Fotografien von Giulio Paolini, aber aus
den 80er und 90er Jahren, überraschen durch die philosophischen und
gleichzeitig witzigen Fragen über Repräsentation und Wahrnehmung. Seine
siebenteilige Arbeit "Contemplator enim" zeigt den immergleichen
Bildausschnitt einer schönen Wohnung, deren Türen und Wände mit immer
anderen Fotos verfremdet und verrätselt werden.
Claudio Parmiggiani beschäftigte sich - übrigens beides Untergruppen der "Arte
povera" - mit quasi surrealistischen Objekten in Bleistiftzeichnung und
griechischen Skulpturen, aber vor der Postmoderne und nach Giorgio de
Chirico und Magritte. Ganz anders wieder Alighiero Boetti, der mit
einer geometrischen Tuschezeichnung auf kariertem Papier die Zahlen
Eins bis Zehn originell und gleichzeitig kindlich darstellt. Gilberto
Zorio ging es von Anbeginn an um Energie und Licht, hier ist er mit
einer Arbeit auf zwei großen Papierbögen vertreten, die einen schwarzen
Stern, rot umrandet, und eine Öllampe miteinander verbindet. Diese
eigentümliche, gestisch aquarellierte Verknüpfung entwickelt sich zu
einem der intensivsten und stärksten Werke der Ausstellung. kaepp
Sebastian Fath Contemporary, Elisabethstr. 7, bis 30. Okt., Di-Fr 14-19 Uhr, Sa 10-16 Uhr.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 18.10.2004