Ausstellung: "IS/NZ" im Kunstverein Ludwigsburg

Abstraktion und Schönheit vom Rande der Welt

Beim Betreten der malerischen Fabrikantenvilla Franck, in der der Ludwigsburger Kunstverein beheimatet ist, hört man zunächst nur das laute Geräusch von fallenden Tropfen: In zwei Videoarbeiten erforscht der isländische Künstler Tumi Magnússon (Jahrgang 1957) das Entstehen von Farbtönen, indem er verschiedenfarbige Flüssigkeiten ineinander tropfen, sich verbinden und dann wieder durch neue Farben transformieren lässt. Dass es sich hierbei um Rotwein, Milch oder Fanta handelt, interessiert den Künstler sehr, gewinnen seine Werke doch so nicht nur Alltagsbezug, sondern stoßen einen Diskurs an, den er in seiner Farbfeldmalerei weitertreibt: Existiert Farbe auch ohne Substanz? Kann die Farbe von Rotwein einfach in Öl auf die Leinwand übertragen werden? Was ist der qualitative Unterschied zwischen gemalter und tatsächlicher Rotweinfarbe?

Eigentlich geht es in dieser sehenswerten Ausstellung um die Begegnung von vier letztlich arrivierten, aber hier unbekannten Künstlern aus Neuseeland und Island, vom Rande der Welt, vom Rande Europas, die mit allen Mitteln ausschließlich abstrakte Malerei (und Zeichnung) betreiben. Und das in einer Zeit, die auf Kunstmessen, großen Ausstellungen oder internationalen Biennalen eine vor Jahren noch undenkbare Renaissance der Figuration erlebt. Aber die vier Künstler halten sehr reflektiert an der Abstraktion fest, was den Kurator Leonhard Emmerling zu seiner Ausstellung "IS/NZ" anregte. Sie setzen sich mit den unterschiedlichen Positionen nicht-gegenständlicher Kunst im 20. Jahrhundert auseinander und beziehen sich in ihrer Arbeit teilweise explizit darauf.

Ingólfur Arnarsson (Jahrgang 1956) aus Reykjavik konfrontiert zartgraue Aquarellmalerei mit Beton, ein absurdes Unterfangen, will man meinen. Dass seine Arbeiten fast nicht reproduzierbar sind, wird zu einem wesentlichen Phänomen von Arnarssons Werk. Eine weitere Variante dieser sanften Kunst stellen seine kleinen Zeichnungen dar: Mit hartem Bleistift zeichnet er in mehreren Strichlagen zarte Strukturen auf das Papier, die eine ungegenständliche Welt erschaffen, die sich bei längerer Betrachtung immerfort zu wandeln scheint. Visuelle Schönheit - überhaupt das heimliche Oberthema der Ausstellung.

Wie dieser Raum außerordentlich still ist, wirkt ein anderer durch das Werk des Neuseeländers Stephen Bambury (Jahrgang 1951) sehr laut, denn der Geruch seiner großen Bodenarbeit "Ngamotu" (Maori für "Viele Inseln") durchzieht die ganze Villa. In dieser erstaunlichen Abstraktionsvariante wurden niedere Blechgefäße in Kreuzform mit Altöl (schwarz) und quadratische mit Wasser (Metall rostet und wird dann rot) befüllt. Diese sich wiederholende Struktur erinnert sehr an das "Schwarze Kreuz" von Kasimir Malewitsch, mit dessen Werk sich Bambury schon lange beschäftigt. Judy Millar wiederum (Jahrgang 1957), die auch auf der Art Basel vertreten war, weist wie fast alle hier eine starke Verbundenheit mit dem Material auf. Sie rekurriert auf Jackson Pollock, auf die bewegte Geste des Abstrakten Expressionismus, aber schiebt mit den Händen die dünnflüssige Ölfarbe in runden Schlieren eigentlich von der Leinwand weg und lässt so eine erstaunliche Räumlichkeit aufscheinen.

Info: Kunstverein Ludwigsburg, Villa Franck, Franckstr. 4, bis 10. Okt., Di-Sa 15-18 Uhr, So 11-17 Uhr.

© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 07.09.2004



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