DIE NEUE KUNSTHALLE (2): "Sublime Landschaften" verwandeln den niedrigen Bunker in einen Ort des Erhabenen
Meditationen in Schwarz und Weiß
Das Erhabene braucht die Stille, weshalb es derzeit keinen besseren
Ort für die erste Ausstellung "Sublime Landschaften" aus der neuen
Reihe "Dialoge im Bunker" gibt als diesen, denn dorthin finden nur
wenige Besucher den Weg. Schon auf der Treppe nach unten wird die
überzeugende Neuinszenierung der unterirdischen Räume der Kunsthalle
durch eine bräunliche Fotografie von Elger Esser vorbereitet, die Leere
und Stille verheißt. Unten präsentieren sich an in bräunlichem Weiß
gestrichenen Wänden bisher selten oder nie gezeigte Aquarelle und
Zeichnungen von etwa 1780 bis 1890 aus eigenen Beständen.
Augenfällig wird, dass auf der damals neuen Landschaftsauffassung
der deutschen Romantik alle späteren Versuche des Genres aufbauen, so
auch die folgenden Fotografien und Videos. Man könnte hier Stunden
verweilen, um zu schauen, wie etwa ein Landschaftsaquarell mit
Überschauperspektive des eher unbekannten Max Joseph Wagenbauer von
1805 mit den sehr ästhetischen Ablichtungen aus Italien oder
Griechenland von Axel Hütte zusammenhängt. Reflektieren ließe sich auch
darüber, ob die religiöse Motivation Caspar David Friedrichs sich
ähnlich in Hiroshi Sugimotos Schwarzweiß-Meditationen "Seascapes"
findet oder in den Fotografien von Ansel Adams, der um 1940 mit
unglaublicher Tiefenschärfe und fast sakral die amerikanische
Landschaft inszenierte.
In dem Video von Oliver Boberg prasselt Regen auf eine Landstraße,
in bläulich getöntem Schwarzweiß wird eine Erwartungssituation
aufgebaut, wie wir sie aus zahlreichen alten Krimis kennen. Aber es
passiert eben nichts, nur die einsame Straße im Regen lädt zur
Kontemplation ein. Das ist überhaupt eine wichtige Neuerung in der
Kunsthalle - dass Videoinstallationen endlich einen Platz gefunden
haben!
Das Thema Schwarz und Weiß wird weiter verfolgt in
den hinteren Räumen des Bunkers: Catherine Opie, Jahrgang 1961, schuf
fast weiße Fotografien von Fischerhütten im Schnee, an einer Raumecke
sieht man - eine ganz überraschende Inszenierung - gleichzeitig ein
fast weißes Bild von ihr und ein fast schwarzes von Thomas Joshua
Cooper, der wie Sugimoto meditativ Meer aufnimmt.
Das Video "Chott-el-Djerid (A Portrait in Light and Heat)" von Bill
Viola von 1979 wirkt dann in seiner verwaschenen Farbigkeit wie eine
intellektuelle Ergänzung: Viola geht es in dieser Arbeit um
Wahrnehmungsfragen, er zeigt uns nie gesehene Aufnahmen von
Luftspiegelungen aus besagter Salzwüste in Tunesien. Menschen und Autos
erscheinen verschwommen, zitternd, sie sind nicht richtig da und nicht
richtig fern. Gravitätisch stelzt ein Kamel vorbei, ein Motorrad lässt
sich erst identifizieren, als es ganz nah herangekommen ist. Sehen wir
erst richtig, wenn wir wissen, was wir sehen?
In dieser Ausstellung geht es letztendlich darum, den Betrachter
anzuregen, Erfahrungen von Kunst zu machen, die er eben nur mit ihr
machen kann. Die Wahrnehmung des Erhabenen eröffnet ihm neue Welten,
die der Verstand allein nicht erreicht. So geschieht es auch in dem
neuen, weißen Raum, der ehemaligen Kasse des Altbaus, in dem nun eine
minimalistische Installation namens "Herzschatten" der Deutschen
Rebecca Horn aus dem letzten Jahr zu sehen ist. Diese mechanisch
gesteuerte Konstruktion mit zwei Spiegeln lässt - komplex und einfach
zugleich - Licht und Schatten wandern, begleitet von eigens dafür
komponierter Musik. Auch hier könnte man lange verweilen, schauen,
verstehen und zur Ruhe kommen. Deshalb ist die "Neue Kunsthalle" nicht
zuletzt ein neuer Ort für ästhetischen Genuss und Kontemplation!
Ausstellung im Bunker bis 15. Juni, Di-So 11-18 Uhr.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 24.04.2003