AUSSTELLUNG: Das Projekt "stadtraum [ ] privatraum"
Großer "Staat" im Kleinen
Nun ist er da, der "Staat" der Ameisen von "Hygiene Heute" im
"zeitraum_ex!t Büro für Kunst" in der Neckarstadt, und damit startet
auch dessen vierwöchiges Projekt "stadtraum [ ] privatraum" (wir
berichteten). Gabriele Oßwald von "zeitraum_ex!t" eröffnete den Abend
und begrüßte die vielen Teilnehmer, Sponsoren und Helfer des Projekts,
darunter auch Bürgermeister Kurz als Schirmherr.
Die Theatermacher Bernd Ernst und Stefan Kaegi hatten die Idee zu
einem Ameisenstaat, "Staat" ist also ein theatrales Projekt, worauf
auch die Bühne mit rotem Samtvorhang am Eingang des "Staatsgeländes"
hinweist. "Staatsschreiber" Michael Blättler betreut ab jetzt die vier
Ameisenvölker aus dem Käfertaler Wald und wird ihr Leben dokumentieren.
Dass es bei dem Umzug der Akteure mit rechten Dingen zugegangen ist,
beweist ein Schreiben des Regierungspräsidiums an der Wand, auch werden
die "Kahlrückigen Waldameisen" pflegerisch durch die Ameisenschutzwarte
betreut.
In engen Gängen führt es die Besucher zu den verschiedenen
Aktionsorten. Da wir in der Neuzeit leben, handelt es sich bei "Staat"
auch um ein Demokratieexperiment, das beispielsweise den Ameisen die
Wahl lässt zwischen den Hamburgern und Pommes der einen Kette und der
Cola einer anderen. Was die Mobilität angeht, müssen wir uns derzeit
aber noch Sorgen machen, ob Mannheim (angelegt in einem der Terrarien)
überhaupt besiedelt werden wird, bisher ist die Gegend um Rhein und
Neckar trotz "Der Großen Mannheimerin" von Franz Bernhard als Salami
äußerst wenig frequentiert.
Die Besucher können über die Analogie zwischen Mensch und Ameise zu
geradezu philosophischen Einsichten gelangen: Ein Politologe der
Universität teilt über Kopfhörer mit, wie die Migrationsströme der
Neuzeit zu bewerten sind, es wird untersucht, ob und welche Musik
Ameisen schätzen, und im "Amt für Innere Sicher-heit" sorgt ein
Mikrofon dafür, dass die äußerst verdächtigen Geräusche zu vernehmen
sind, die Ameisen so machen - essen oder töten sie?
In der "Staatsgalerie" wird die Bildende Kunst köstlich auf die
Schippe genommen durch die Präsentation der Requisiten des
Staatsaufbaus - ganz klar Reminiszenzen an zeitgenössische Objektkunst
ab Beuys. Aber die Ameisenschattenkunst an der Wand ist so poetisch,
wie man es nicht erwartet hätte. Und bittersüß auch das Ende: Auf dem
"Soldatinnenfriedhof" liegen sie, die toten Tierchen, und werden durch
eine Riesenlupe so sehr vergrößert, dass es sich um ganz fremde,
außerordentlich ästhetische Formen handelt.
"zeitraum_ex!t. Büro für Kunst", Lange Rötterstr. 23, bis 26. Okt.,
Mi bis Fr 15-19 Uhr, Sa, So 14-17 Uhr. Am 3. Okt. findet um 20 Uhr ein
"Staatsempfang" statt.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 30.09.2002