DAS PORTRÄT: Besuch bei der Ludwigshafener Malerin Ute Petry
Stille, Licht und Farben
Am geöffneten Fenster, mit Blick in den Garten, hängt es, ein
typisches Gemälde von Ute Petry: Man sieht nur Farbtöne, weißliches
Türkis, am Rand kobaltblaue Flecken, Spuren von Grün, Ultramarin, ein
orangenes Zeichen im Bildvordergrund. "Weißer Tisch", so der Titel. In
ihrer schönen Wohnung mit alten, dunklen Möbeln ist viel Kunst zu
finden. Fast automatisch zieht es den Besucher in den hellen Erker, wo
ein kleiner Tisch steht mit Sessel und Schaukelstuhl und eben jenes
Gemälde an der Wand hängt.
Ute Petry, 1927 in Ludwigshafen geboren, studierte nach dem Zweiten
Weltkrieg an der Freien Akademie in Mannheim, war unter anderem
Schülerin von Paul Berger-Bergner. Wie viele Künstler ihrer Generation
besuchte sie mehrmals in den 50er Jahren die Sommerakademie in Salzburg
bei Oskar Kokoschka. Sie weiß viel zu erzählen aus jener aufregenden
Zeit: von der Freien Akademie, ihren Ateliers in Mannheim, in der
Augustaanlage, in der Kobellstraße. Dass ihre Wohnung immer woanders
war, wenn möglich, dass man - viele Frauen sagen das- einen Raum für
sich allein haben muss, in den man sich zurückziehen, die Gedanken
laufen lassen kann und dann malen.
Heute wirkt in allererster Linie die Stille: in den Räumen, im
Garten, auf den Bildern. Ihr Atelier im Gartengeschoss ist klein, eng.
Viele Bilder stehen an der Wand, mit dem Rücken zum Betrachter. Auch
hier Stille. Vielleicht braucht es ja diese Begrenzung, damit sich die
Kraft zuerst staut und dann aus den Bildern heraus zum Leben kommt?
Die Farben sind ihr das Wichtige, Ei-gentliche: "Ich habe immer
alles aus der Farbe heraus aufgebaut", erläutert sie ihre Gemälde. Und:
"Erklären kann man das nicht mit Worten, die Atmosphäre, die Stimmung
teilt sich anders mit." Die Sujets sind Gegenstände ihrer Umgebung,
Tisch, Stuhl, Schale, Krug oder Handschuhe, aber häufig verfremdet, nie
realistisch. Waren früher die Farben meist dunkel, wurden sie mit den
Jahren immer heller, brauchten keine Kontur mehr, entwickelten die Form
aus sich heraus. Die Kategorien "abstrakt" oder "gegenständlich" werden
im Laufe der Jahre immer unpassender: Die Tischplatte ist ganz
offensichtlich eine solche, aber sie interessiert nur als Fläche, auf
der mit Farbe experimentiert wird. Ein solcher Tisch ist
gegenständlich, ein wiedererkennbarer Ausschnitt aus der Wirklichkeit,
aber es geht nie um die Form, nie um die Aussage oder Bedeutung
"Tisch", sondern immer um Malerei. Der Gegenstand als Anlass für
Malerei, so könnte man es ausdrücken.
Mittlerweile, der Nachmittag ist fortge-schritten, scheint der
"Weiße Tisch" blauer zu sein, der Farbklang ist tiefer geworden, das
Licht hat ihn verändert. Das Bild lebt.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 03.09.2002