DAS NEUE BUCH: Fünf Künstlerinnen der frühen Moderne
Können Frauen malen?
Ob in Paris, München oder Moskau, sie haben unterschiedliche, aber
dann doch ähnliche Lebensläufe: Suzanne Valadon, Paula
Modersohn-Becker, Gabriele Münter, Sonia Delaunay und Ljubow Popowa.
Sie versuchen, Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, als
Künstlerinnen zumeist der Zugang zu öffentlicher Anerkennung versperrt
war, zu einem selbstbestimmten Leben und Arbeiten zu gelangen. Fünf
Malerinnen, fünf exemplarische Lebensge-schichten, dargestellt und
gedeutet von einer Kennerin und - sehr angenehm! - einer exquisiten
Autorin.
Karoline Hille, gebürtige Berlinerin, die schon lange in Mannheim
lebt und eine Weile an der hiesigen Kunsthalle als Kunsthistorikerin
tätig war, versucht mit diesem Buch eine neue Form: Einerseits schreibt
sie biografisch über die spannenden Leben der fünf Malerinnen, wobei
sie auch elegant wichtige Informationen wie beiläufig einflicht,
beispielsweise, dass Frauen im 19. Jahrhundert vom Aktzeichnen an
Akademien ausgeschlossen waren (es sei denn, sie waren das Modell). Und
sie nimmt Mythen auseinander: Paula Mo-dersohn-Becker beispielsweise
wurde zwar schon zwei Jahre nach ihrem Tod (1907) mit Manet, van Gogh
und Renoir ausgestellt und fand eigentlich immer Anerkennung, aber sie
wurde, wie Hille auch dezent-ironisch aufzeigt, hauptsächlich als Frau
und Mutter wahrgenommen, um ihr Werk zu interpretieren.
Es ist außerordentlich interessant, wie Hille bestimmte Meinungen
über Gabriele Münter etwa, die Lebensgefährtin von Wassily Kandinsky,
zurückführen kann auf Kunsthistorikerurteile aus den frühen 20er
Jahren. Sprich: auch kunstinteressierte Kenner werden zum Teil entsetzt
sein über das, was sie zu wissen glaubten, weil es seinen Ursprung in
einer Fehldeutung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte. Der Autorin
gelingt es immer wieder, das Interesse für das Werk der Künstlerinnen
zu wecken, auch oder vielleicht gerade wegen fehlender Abbildungen.
Wirklich hervorragend ist der Anhang mit den Lebensgeschichten von
zu ihrer Zeit berühmten, aber erst seit kurzem wieder gewürdigten
Malerinnen wie Artemisia Gentileschi (17. Jahrhundert) oder Anna
Dorothea Therbusch (18. Jahrhundert). Das Buch ist leicht zu lesen,
ohne Fußnoten, oft eher wie ein Roman; die typografische und farbliche
Gestaltung machen es darüber hinaus zu einer tollen Geschenkidee für
Kunstinteressierte.
Karoline Hille: "Fünf Malerinnen der frühen Moderne", Reclam Leipzig 2002, Preis 19,90 Euro.
© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 04.01.2002